Die deutsche Gas- und Wasserwirtschaft im Nationalsozialismus

Analyse auf Basis historischer Veröffentlichungen im „Gas- und Wasserfach“ sowie einschlägiger Literatur

Noch vor kurzem erst, speziell zwischen August 2014 und November 2018, erinnerten eine Vielzahl von Veröffentlichungen an den Ersten Weltkrieg vor 100 Jahren. Mit Fokus auf die Gas- und Wasserwirtschaft gab die Frontinus-Gesellschaft dazu eine Monographie unter dem Titel „Auswirkungen des Ersten Weltkrieges auf die deutsche Gas- und Wasserwirtschaft“[1] heraus.

Am 1. September[2] 2019 jährt sich nun der Beginn des Zweiten Weltkriegs zum achtzigsten Mal.

Dieses Datum will ich zum Anlass nehmen, um die Auswirkungen des Nationalsozialismus auf die deutsche Gas- und Wasserwirtschaft mithilfe überwiegend zeitgenössischer Quellen zu analysieren bzw. einzuordnen. Die Leser/innen mögen aus dem Material ihre eigenen Schlüsse ziehen. Als Blog-Autor bin ich kein Historiker und verzichte deshalb auch weitestgehend auf eine ausdrückliche Interpretation der Quellen.

Denn der Nationalsozialismus ist eins der am intensivsten erforschten Kapitel der deutschen Geschichte. Da kann sich der vorliegende Text nicht als Beitrag oder Ergänzung dieser Arbeiten verstehen.

Vielmehr soll die hier und in späteren Folgen vorgelegte Analyse der deutsche Gas- und Wasserwirtschaft auf Basis historischer Veröffentlichungen im „Gas- und Wasserfach“ sowie einschlägiger Literatur vor allem die Binnenperspektive dieser Branche widergeben.

Als wesentliche Quelle dienen mir die Ausgaben von 1933 bis in die Kriegsjahre der seit 1858 anfangs wöchentlich und auch heute noch erscheinenden Fachzeitschrift, „Das Gas- und Wasserfach“ (im Folgenden abgekürzt mit GWF für die historischen Ausgaben sowie mit gwf für aktuelle Bezüge).[3]

Die Auswirkungen der politischen und gesellschaftlichen Veränderungen zeigten sich seit der Machtübertragung Hindenburgs an Hitler am 30. Januar 1933 bei aller Fachorientierung alleine schon im Sprachgebrauch der Publikation. Sie war damit wohl Spiegel und Echo des Sprachgebrauchs in der Branche sowie in der Gesellschaft allgemein. Die Auswirkungen zeigten sich aber natürlich auch in den Berichts- und Informationsgegenständen[4] sowie in den Inhalten regelmäßiger Rubriken der Fachzeitschrift.

Darüber wird an dieser Stelle auch in den folgenden Monaten noch berichtet werden. Die Arbeit erfolgt aus persönlichem Interesse sowie als interessierter Laie, jedoch keinesfalls in Konkurrenz zu den vielen historischen Analysen und Abhandlungen, die diesem Kapitel deutscher Geschichte gewidmet sind. Sachliche Hinweise und Kritik meiner Leser/innen nehme ich gerne entgegen. Bitte nutzen Sie dafür meine im Impressum dieses Blogs verzeichnete Mailadresse.

Zu Beginn und mit diesem Text sollen erste Beispiele meiner Quellenanalyse das Thema und die Arbeit einleiten. Dazu betrachte ich im nachfolgenden Text

    • Anlässe und Inhalte verschiedener Ergebenheitsbekundungen,
    • die „Gleichschaltung“,
    • den „Gasschutz und Luftschutz“,
    • das Energiewirtschaftsgesetz von 1935,
    • die Einführung der Großraumgasversorgung,
    • die Folgen des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums,
    • die Anwendung des Reichsbürgergesetzes sowie
    • Aspekte des Personaleinsatzes.

Meine Quellen und Hinweise auf weiteres Lesematerial finden sich als Endnoten unten im Text.

BEISPIEL: ERGEBENHEITSBEKUNDUNGEN

Nach der Machtübertragung stellten sich nicht nur Politik und Verwaltung in den Dienst des Nationalsozialismus. Auch die öffentlichen Bekundungen und Nachrichten wurden dazu genutzt. Als Beispiel mögen Worte des Vorsitzenden, Dr. Gülich (Jena), zur Eröffnung der 80. Hauptversammlung des Vereins Sächsisch-Thüringischer Gas- und Wasserfachmänner in Chemnitz am 8. Mai 1933 dienen: „Wir grüßen die nationale Regierung unter der Führung Adolf Hitlers; wie wir im Dienste der Allgemeinheit und der Verantwortung, die wir ihr gegenüber tragen, unsere Kräfte und unser Können freudig dem Volksganzen widmen, so folgen wir bewußt als deutsche Kämpfer dem Banner der nationalen Einheit, wir, die wir die Schwere parteilicher Zerrissenheit, Verhetzung und demagogischer Untergrabung disziplinärer Führung mit am schmerzlichsten empfunden haben. … Wir grüßen die nationale Regierung dieses gesegneten Landes Sachsen, gesegnet in Wissenschaft und Kultur, Wirtschaft und Industrie, durch die Regsamkeit und Intelligenz eines hochbegabten deutschen Volksstammes.“

Auch die Gleichschaltung (siehe gleichnamiges Kapitel weiter unten) der Branchenstrukturen wurde mit großen Worten gelobt. So berichtete das GWF in seiner Ausgabe vom 3. Juni 1933 über die 74. ordentliche Vereinsversammlung des Deutschen Vereins von Gas- und Wasserfachmännern e.V. vom 26. und 27. Mai 1933 in Weimar. In dem Artikel geht es um „die Bekundung zur Einigung des deutschen Volkes im Sinne der Wege, die jetzt von seiner Regierung tatkräftigst gewiesen werden, und denen sich der DVGW nebst den ihm nahestehenden Verbänden jetzt förmlich einordnete. Möge … die einheitliche Führung zu neuem Aufstieg unseres Volkes, seiner Wirtschaft und in deren Rahmen des deutschen Gas- und Wasserfachs führen.“ Siehe auch unten in „Beispiel: Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“.

Ergebenheitsbekundungen waren aber auch Teil des Alltags. Und auch der musste geregelt werden; beispielsweise die richtige Anwendung alltäglicher Grußformen. So wurden in GWF-Heft 37/1935 auf Seite 712 in der Rubrik „Mitteilungen der Wirtschaftsgruppe Gas- und Wasserversorgung der Reichsgruppe Energiewirtschaft der deutschen Wirtschaft“ Hinweise zur Anwendung des Hitlergrußes veröffentlicht. Abgedruckt wurde ein Erlaß des Reichs- und Preußischen Wirtschaftsministers vom 14. Mai 1935 – H.B. 987/35, in dem er gegenüber der Reichswirtschaftskammer ausführte, „daß der deutsche Gruß ‚Heil Hitler‘ … Bekenntnisgruß der Deutschen untereinander werden soll. Er werde zwar im mündlichen Umgang, jedoch nicht im brieflichen Geschäftsverkehr einheitlich gehandhabt.“ Der Wirtschaftsminister „hält es deshalb für erwünscht, auch im geschäftlichen Schriftverkehr grundsätzlich ‚Heil Hitler‘ als Schlußgruß Anwendung finden zu lassen, ohne daß in besonders gelagerten Fällen eine andere Schlußformel unbedingt ausgeschlossen wäre. Es müsse dem Taktgefühl des einzelnen überlassen bleiben, wann er mit Rücksicht auf den Inhalt des Schreibens von dem Gebrauch des Namens des Führers absehen wolle. Wer aus solchen besonderen Rücksichten in Einzelfällen den Gruß ‚Heil Hitler‘ vermeide, brauche sich daraus einen Vorwurf nicht machen zu lassen.“

Andere Anlässe für Ergebenheitsadressen und ähnlichen Bekundungen waren neben den jeweiligen Vereinsversammlungen zum Beispiel „Führers Geburtstag“ oder – 1938 – in der GWF-Ausgabe vom 2. April der „Anschluss“ Österreichs an Deutschland. Direktor Güntner, Wien, Vorsitzender des Hauptverbandes der Gas- und Wasserwerke Österreichs, unterzeichnete seinen Artikel auf Seite 1 des Heftes unter der Überschrift „Ein Volk – ein Reich – ein Führer“ mit „SIEG HEIL!“

„Führers Geburtstag“ im Jahre 1940 beispielsweise war Anlass für GWF, in Heft 13/1940 vom 30. März 1940 auf Seite 145 unter der Überschrift „Das Geburtstagsgeschenk für den Führer“ die Adressen verschiedener Persönlichkeiten abzudrucken:

    • Göring an das deutsche Volk: Aufruf „zu einer großen Sammelaktion. Wir wollen der Reichsverteidigung alle entbehrlichen Gegenstände aus Kupfer, Bronze, Messing, Zinn, Blei und Nickel in nationalsozialistischer Opferbereitschaft zur Verfügung stellen. Diese freiwillige Spende soll das Geburtstagsgeschenk sein, das die deutsche Nation dem Führer zum 20. April darbringt.“
    • Todt an die deutsche Technik: „Großdeutsche Wirtschaft stellt in ihren Betrieben frei gemachte Metalle, soweit sie nicht anderweitig erfaßt sind, nunmehr dem Führer als Kriegsgeburtstagsgeschenk zur Verfügung!“
    • Pietzsch an die deutsche Wirtschaft: „Ich halte es für eine nationale Pflicht aller Betriebsführer, sich mit ihrer ganzen Person dafür einzusetzen, daß die gewerbliche Wirtschaft bei dieser (von Göring ausgerufenen; der Autor) Spende zum Geburtstag des Führers in der vordersten Linie steht.“
    • Behrens an das Gas- und Wasserfach: „Ich bin sicher, daß die Gas- und Wasserwerke, deren Aufgabe seit jeher gemeinnützig war, wiederum beispielgebend vorangehen und so das Ihrige dazu beitragen, mit der Geburtstagsspende unserem Führer einen Teil des Dankes abzustatten, zu dem wir uns ihm, der sein gesamtes Leben für das Wohlergehen und die Stärke des deutschen Volkes einsetzt, verpflichtet fühlen.“

Beispiel: Gleichschaltung

Der oben erwähnten 74. Vereinsversammlung vorausgegangen war – ebenfalls im Mai 1933 – die Einführung einheitlicher Fachorganisationen (so. u.a. des Reichsverbandes des deutschen Gas- und Wasserfaches). Zugleich betrieben wurde die Abschaffung jener Gruppen, die laut Carl Krecke (ehemals Mitglied im Vorstand der BEWAG; ab 1934 Leiter der so genannten „Reichsgruppe Energiewirtschaft“) in seinem Buch „Energiewirtschaft im nationalsozialistischen Staat“ von 1937 „im Rahmen einer gemeinnützigen Energiewirtschaftsentwicklung keine Daseinsberechtigung mehr hatten.“ Die gesetzliche Grundlage dafür folgte am 27. Februar 1934 durch das „Gesetz zur Vorbereitung des organisatorischen Aufbaus der deutschen Wirtschaft“ (RGBl. I, S. 185f). Es war der Auftakt zur Gleichschaltung auch der Wirtschaft und sah die Einteilung in Wirtschaftsverbände vor, die dann als alleinige Vertretung des jeweiligen Wirtschaftszweiges fungieren sollten; so Philipp Büsch in seiner Schrift „Der Wettbewerbsgedanke im Energierecht“ aus 2014.

Auch das „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ (siehe gleichnamiges Kapitel weiter unten) diente der Gleichschaltung. Dazu schreibt Arnulf Scriba für das Deutsche Historische Museum, Berlin, 2015 unter dem Titel „Die Gleichschaltung 1933“ wie folgt:  „Unter Missachtung aller verfassungsrechtlichen Bestimmungen erlaubte (das Gesetz; der Autor) die Entlassung von regimekritischen Beamten. Neben Demokraten und Liberalen waren es vor allem Staatsbedienstete jüdischen Glaubens, die durch den erstmals in dem Gesetz eingefügten Arierparagraphen ihre Stellungen verloren. Den Arierparagraphen übernahmen bereitwillig nahezu sämtliche Organisationen bis hinunter zu kleinsten Sport- oder Gesangsvereinen, ohne dass es dabei eines staatlichen Zwangs bedurft hätte.“

Beispiel: Luftschutz

Der „Gasschutz und Luftschutz“ (zugleich Name der einschlägigen Fachzeitschrift[5]) in Deutschland geht schon auf die späteren 1920er Jahre zurück. „Bereits in den letzten Jahren der Weimarer Republik erhielt der zivile Luftschutz seine bis weit in den Zweiten Weltkrieg hinein gültige grundlegende Organisationsstruktur. Insbesondere bürgerlich-konservative Kreise hegten seit Ende der 1920er Jahre ein tiefes Misstrauen gegenüber dem angrenzenden Ausland, das in der entsprechenden Presse gern mit dem Pauschalbegriff „Militärstaaten“ tituliert wurde.“[6]

Der zivile Luftschutz war also keine originäre Erfindung der Nationalsozialisten. Vielmehr entstand diese neue Form staatlicher Daseins- und Gefahrenvorsorge bereits in der zweiten Hälfte des Ersten Weltkrieges. Erstmals erlebten Städte in Süd- und Westdeutschland damals alliierte Bombenangriffe, nachdem deutsche Luftfahrzeuge vorher schon Bomben auch auf zivile Ziele unter anderem über Frankreich und England abgeworfen hatten.

So wird das Thema schon im Jahresbericht des Vorstandes 1932/33 am 2. Mai 1933 in Heft 20 auf Seite 341ff aufgegriffen. Nach ausführlicher Diskussion der wirtschaftlichen Lage wird „eine im Berichtsjahr neu aufgetretene Aufgabe“ behandelt; nämlich „die Einrichtung des industriellen Luftschutzes auf den Gas- und Wasserwerken.“ Dazu gab es ein Rundschreiben des DVGW, mit dem das „vom Reichsverband der Deutschen Industrie bearbeitete 1. Merkblatt ‚Industrieller Luftschutz‘“ an die Werke verteilt wurde. Von den begleitenden Ausarbeitungen, betitelt ‚Luftschutz der Gaswerke‘ und ‚Luftschutz der Wasserwerke‘ … sind (bisher) 9500 Stück abgesetzt worden.“

Beispiel: Energiewirtschaftsgesetz

Betrachtet werden müssen auch Anlass und Folgen des Energiewirtschaftsgesetzes von 1935. Das enthielt allerdings trotz seines Erlasses auf der Rechtsgrundlage des Ermächtigungsgesetzes vom 30. März 1933 inhaltlich kein direkt nationalsozialistisches Gedankengut.[7] Vielmehr war es die erste umfassende rechtliche Regelung der Elektrizitäts- und Gasversorgung. Darüber hinaus erlangte es besondere Bedeutung für die grundsätzliche Einstellung zu den Fragen der Wirtschaftslenkung.[8] Letztere war jedoch ein wesentlicher Bestandteil nationalsozialistischer Politik. Noch als Folge der Rezession nach der 1928 begonnenen Wirtschaftskrise war die NS-Wirtschaftspolitik geprägt durch eine „Phase des Experimentierens und Kampfes widerstreitender Interessen, die noch eine Mehrgleisigkeit verschiedener Wirtschaftsformen erlaubt hatte.“[9] Doch war die Rezession mittlerweile überwunden, denn „es spricht vieles dafür, daß 1935 ein sich selbst tragender wirtschaftlicher Aufschwung in Gang gekommen war, der eine weitere staatliche Ausgabenpolitik und Verschuldung zum Zwecke der Krisenbekämpfung überflüssig gemacht hätte.“[10]

Allerdings „wurden nun die Grundzüge der nationalsozialistischen Wirtschaftspolitik erkennbar. Nicht die Formel vom Ständestaat oder dem ständischen Aufbau der Wirtschaft, die die nationalsozialistische Propaganda eifrig verbreitet hatte, wurde zum Maßstab, sondern die staatliche Lenkung nach wie vor privatwirtschaftlicher Unternehmen. Die kapitalistische Wirtschaftsstruktur wurde nicht abgeschafft, sondern auf ein vorrangiges Ziel ausgerichtet, um vor allem eine kurzfristige Leistungssteigerung zu erreichen.“[11] Dieser Maßgabe hatte sich also auch die Energiewirtschaft unterzuordnen und wurde Teil der eindeutig rüstungs- und militärpolitischen Regierungsziele.

Beispiel: Großraumgasversorgung

Während die Stromwirtschaft damals bereits weitgehend als Verbundsystem organisiert war, wurde Gas „als Nebenprodukt des Verkokungsprozesses … im Gegensatz zu Elektrizität niemals als kohärentes technologisches System gedacht.“[12] Erst gegen Ende der zwanziger Jahre wurde das Konzept der Ferngasversorgung als Teil einer Rationalisierungsbewegung landesweit weiter verfolgt. Im GWF gebräuchlich dafür war der Begriff der Großraumgasversorgung. Diese „und die nationalpolitische Ausrichtung der ganzen Volkswirtschaft seit 1933 haben in der deutschen Ortsgaswirtschaft grundlegende Strukturwandlungen zu Folge gehabt“, heißt es in einer Branchenanalyse von GWF-Heft 52 des Jahrgangs 1939 auf Seite 831. Und für Niedersachsen im Nationalsozialismus erklärte Niemann in seinem bereits zitierten Fachaufsatz, dass „es … die Forderungen der Kriegswirtschaft und die Interessen der Armee (waren), die schließlich den Weg für ein vernetztes Gasnetz … ebneten.“

Gleichermaßen argumentiert Felix Christian Matthes[13]: „Die großen Energieversorgungsunternehmen sowie das die Kriegswirtschaft vorbereitende Reichswirtschaftsministerium verfochten das Modell einer starken Konzentration und Zentralisierung.“ Dagegen „setzten sich die Kommunen und ihre Verbände sowie auch der Reichsinnenminister vehement zu Wehr und waren zumindest in Teilbereichen erfolgreich.“[14]

Beispiel: Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums

Mit den Absichten des am 7. April 1933 erlassenen „Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“[15] in Zusammenhang bringe ich eine Mitteilung in der „Rubrik Persönliches“ Heft 1933/13 vom 1. April 1933 auf Seite 242. Unter der Überschrift „Abberufung städtischer Betriebsleiter“ heißt es: „Mehrere Herren in leitenden und auch in nachgeordneten Stellungen sind durch Regierungskommissare von ihren Ämtern abberufen worden. Endgültige zuverlässige Nachrichten darüber liegen jedoch noch nicht durchweg vor, so daß vorbehalten bleiben muß, das Nähere, soweit es sich dabei um Stellen in der Gas- und Wasserversorgung handelt, zu gegebener Zeit noch zu berichten.“ – Spätere Nachrichten in dieser Sache habe ich in GWF noch nicht gefunden.

Aus Krefeld im Speziellen, vermutlich aber allgemeingültig, berichtet Gabriele Franken unter dem Titel „Was so hoffnungsvoll begann …“ (in „Licht und Wärme für Krefeld. 150 Jahre Gasversorgung“), dass „Ethnizität und politische Integrität … zum Kriterium für einen guten Beamten im Sinne der Nationalsozialisten (wurden).“ Doch „auch das Erreichen des Pensionsalters war ein geeigneter Grund, unliebsame Beamte zu entlassen, so beispielsweise bei Ludwig Lubszynski, Dezernent der Stadt (Krefeld; der Autor) und für die GWE-Werke zuständig.“

Andere Methoden wendete die NSDAP im Fall des GWE-Direktors Rudolf Riedl, zuständig für das Gas- und Wasserrohrnetz in Krefeld, an. „Mittels eines Verfahrens wegen Untreue versuchte die Partei, Riedl aus seinem Amt zu drängen, was misslang.“

Zu beobachten war auch, so Franken, dass neben der Entlassung unliebsamer Beamter auch gezielt Parteimitglieder in die Unternehmensstrukturen eingesetzt wurden, um die Ziele des Nationalsozialismus durchzusetzen.

Beispiel: Reichsbürgergesetz

Nach meiner Beobachtung recht spät erst verarbeitete GWF Informationen zum Reichsbürgergesetz[16] von 1935 und begleitenden Verordnungen. So wurden GWF-Leser im März 1938 beispielsweise über „verschiedentliche Rückfragen (an die Zentrale für Gasverwertung e.V.) wegen Aufnahme von Nichtariern in Gasgemeinschaften“ informiert. Dazu zitierte GWF aus einer „Stellungnahme des Reichswirtschaftsministers vom 14.2.1938 – IV 49464/37 II.“ Demnach hatte der Minister „keine Bedenken dagegen, daß die einzelnen Elektro- und Gasgemeinschaften Juden im Sinne des §5 der 1. Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 14. November 1935 – Reichsgesetzblatt I S. 1333 – aus der Gemeinschaft ausschließen.“[17] Dagegen bliebe es „den Betroffenen unbenommen, im Rahmen ihres Geschäftes Einzelwerbung zu betreiben.“[18]

Beispiel: Personaleinsatz

Speziell bei diesem Thema muss deutlich zwischen den Jahren bis zum Zweiten Weltkrieg und den Kriegsjahren selbst unterschieden werden. Waren die Jahre bis 1935 wirtschaftlich und damit auch personalwirtschaftlich noch von den Folgen der Weltwirtschaftskrise geprägt, so erlebte auch die Gas- und Wasserwirtschaft ab 1935 einen gelenkten, weil u.a. – dem politisch verordneten Ziel – der Substitution ausländischer Energieträger geschuldeten, wirtschaftlichen Aufschwung mit steigenden Absatzzahlen und einem erneut wachsenden Personalbestand. Doch „demgegenüber musste der private Konsum zurückstehen, allen Mythen über Arbeitsbeschaffung und Autobahnbau zum Trotz.“[19]

Dem vorausgegangen waren öffentlichen Maßnahmen zur Arbeitsbeschaffung, die, so Hitler im Februar 1933 „zugleich der ‚Wehrhaftmachung‘ zu dienen hätten und den Interessen des Staates untergeordnet seien.“[20]

An diesen Programmen und deren Folgen für die Beschäftigungs- und Tarifpolitik beteiligten sich auch die Unternehmen der Gas- und Wasserwirtschaft.

„Den Opfern der Kriege und der Gewaltherrschaft“ – Wandtafel für die Gefallenen und Toten beider Weltkriege (Bis circa 2005 aufgestellt im damaligen Eingangsbereich der Stadtwerke Krefeld AG.)

Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs schien sich dann die Geschichte zu wiederholen: „Auch Beschäftigte der Gas- und Wasserwirtschaft wurden zum Kriegsdienst eingezogen, soweit keine Unabkömmlichkeit oder Zurückstellung genehmigt wurde. Entsprechend gehörten Nachrichten über militärische Ehrungen, aber auch Todesnachrichten oder Vermisstenanzeigen seit Kriegsbeginn zu den Inhalten des JfGW. Personalengpässe in Folge der Einberufungen versuchte die Gas- und Wasserwirtschaft durch die Beschäftigung und Ausbildung von teils fachfremden Quereinsteigern,  Kriegsgefangenen und auch Kriegsversehrten zu mildern.“ Nichts Neues im Zweiten Weltkrieg also, könnte man sagen. Denn genau diese Hinweise trafen wortwörtlich[21] bereits auf die Personaleinsatzbedingungen im Ersten Weltkrieg zu.

Direkten Bezug auf Kriegshandlungen nahm das GWF im Jahre 1939 schon wenige Wochen nach dem deutschen Überfall auf Polen. In der Rubrik „Persönliches“ der Ausgabe 44/1939 vom 4. November 1939 wurde erstmals – und, wie meine vorläufige Recherche der GWF-Ausgaben bis Ende 1940 ergab, auch letztmalig – über den Kriegstod eines Branchenmitglieds berichtet. Der Text informierte, dass Dipl.-Ing. Kurt Hiddemann, Direktor der Wasserwerksabteilung der Städtischen Werke Wuppertal, während seines Einsatzes als Feldwebel der Marine-Artillerie am 27. September 1939 in Gotenhafen[22] in seinem 40. Lebensjahr gestorben war.

Damit wiederholte sich die Geschichte erneut, denn 25 Jahre zuvor, im Oktober des Jahres 1914, waren es Dipl. Ing. Hans Leo[23], der „am 6. September (1914) … in einem Gefecht in Frankreich im Kampf fürs Vaterland eine tödliche Wunde (erhielt)“, Hermann Meyer[24], der am 3. September (1914) „den Heldentod für das Vaterland erlitten (hatte)“, Stadtrat Schürmann, Stettin, „im Kampf für unser Vaterland in Frankreich gefallen“ und Otto Stockhausen[25], der „im 36. Lebensjahre den Heldentod fürs Vaterland gefunden“ hatte.

Genauso wiederholte sich die Veröffentlichung von Auszeichnungen. So beispielsweise im GWF Heft 25/1940, Seite 304, als Herr Oberbaurat Wilhelm Böhme, Städtisches Wasserwerk Chemnitz, in der Rubrik Persönliches lobende Erwähnung fand. Wörtlich hieß es damals: Böhme „ist als Oberleutnant und Kompanieführer wegen besonderer Tapferkeit beim Einsatz mit einer Luftlandetruppe in Holland mit dem Eisernen Kreuz I. Kl. ausgezeichnet worden, nachdem er schon im polnischen Feldzug das Eiserne Kreuz II. Kl. erhalten hatte. Alle Fachgenossen, denen Böhme insbesondere durch seine Tätigkeit als Wasserverwalter in Sachsen und Obmann der Arbeitsgruppe Westsachsen des DVGW bekannt ist, werden diese erneute Auszeichnung eines Kameraden, der in Krieg und Frieden seinen Mann zu stehen weiß, freudig begrüßen.“

Trivialer dagegen und doch erwartungsgemäß mutet heutzutage die Auskunft der „Wirtschaftsgruppe Gas- und Wasserversorgung“ an, wie nach Kriegsbeginn zum Beispiel bei „Einziehung von Einrichtern[26] zum Heeresdienst“ in deren Herkunftsbetrieben zu verfahren war. „Installateure und Betriebe des gesundheitstechnischen Gewerbes“ behielten demnach ihre Zulassung, auch wenn die dort jeweils zugelassenen Einrichter eingezogen wurden, „bei Übernahme der Verantwortung durch einen anderen zugelassenen Einrichter.“[27]

Doch auch damit wiederholte sich die Geschichte, denn kaum 25 Jahre zuvor, noch kein Jahr nach Beginn des Ersten Weltkriegs, berichtete der damals noch „Journal für Gasbeleuchtung und Wasserversorgung“ genannte Vorgänger der GWF über Einberufungen, Zurückstellungen und über „die Beschäftigung und Qualifikation von ungelernten Arbeitern oder auch von Quereinsteigern. Bei denen handelte es sich sowohl um Kriegsheimkehrer, genauer: um Kriegsversehrte, als auch um Kriegsgefangene.“[28]

(Stand: 29.8.2019)

Quellen + weiteres Lesen

[1] Siehe https://www.frontinus.de/pages/nachrichten/neu-schriftenreihe-der-frontinus-gesellschaft-heft-30-2018.php

[2] Am 1. September 1939 begann mit dem Überfall auf Polen der Zweite Weltkrieg.

[3] Das heutige gwf – gwf Das Gas- und Wasserfach- erscheint bereits seit 1858 (damals „Journal für Gasbeleuchtung und Wasserversorgung“) und ist die Quelle für die Geschichte des Gas- und Wasserfaches in Deutschland. Seit der Gründung des DVGW ist das gwf Organ für DVGW-Vereinsmitteilungen. Siehe auch https://www.dvgw.de/der-dvgw/geschichte/historische-literatur/

[4] Zum Beispiel Technische Neuerungen, Regelwerk oder Gesetze und Verordnungen der Gas- und Wasserwirtschaft

[5] Dr. Schrimpff, August (Hrsg.), Gasschutz und Luftschutz, München 1931ff

[6] Dr. Linhardt, Andreas „Die Fachzeitschrift „Gasschutz und Luftschutz“ unter dem Einfluss des Nationalsozialismus“, Bundesamt für Bevölkerungsschutz u. Katastrophenhilfe, Bonn. Zitiert aus https://www.bbk.bund.de/DE/Service/Fachinformationsstelle/DigitalisierteMedien/FachzeitschriftNotfallvorsorge/01_Gasschutz%20und%20Luftschutz/Ausarbeitung_Dr_Linhardt.html;jsessionid=E2B3E4800A36D38CC16441E94481094E.1_cid330

[7] Bartelt, Guido: Regulatorische Marktinterventionen, Entlebuch 1989.

[8] Basedow, Jürgen: Regulierung und Wettbewerb in marktwirtschaftlichen Ordnungen – Rechtspolitisches Forum Nr. 14, Trier 2003

[9] Thamer, Hans-Ulrich, Wirtschaft und Gesellschaft unterm Hakenkreuz, Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 2005, zitiert aus http://www.bpb.de/geschichte/nationalsozialismus/dossier-nationalsozialismus/39551/wirtschaft-und-gesellschaft?p=all

[10] Ebda.

[11] Ebda.

[12] Niemann, Hans-Werner, «Dornröschenschlaf» der deutschen Gaswirtschaft? Großsystem Ferngasversorgung im Spannungsfeld konkurrierender politischer und ökonomischer Interessen. Erschienen in Zeitschrift für Unternehmensgeschichte, Band 42, Heft 1, Seiten 39–64 (1977)

[13] Matthes, Felix Christian, Stromwirtschaft und deutsche Einheit, Norderstedt 2000

[14] Aus o.a. Quelle zitiert nach Kehrberg, Jan, Die Entwicklung des Elektrizitätsrechts in Deutschland – Der Weg zum Energiewirtschaftsgesetz von 1935, Frankfurt 1997

[15] Siehe auch https://de.wikipedia.org/wiki/Gesetz_zur_Wiederherstellung_des_Berufsbeamtentums

[16] „Das Reichsbürgergesetz (RBG) vom 15. September 1935 (RGBl. I S. 1146) teilte die deutsche Bevölkerung in Reichsbürger, „Staatsangehörige deutschen oder artverwandten Blutes“, einerseits und in ‚einfache‘ Staatsangehörige, „Angehörige rassefremden Volkstums“, andererseits.“ Es war „eines der beiden Nürnberger Rassengesetze, die auf dem 7. Reichsparteitag der NSDAP (10.–16. September 1935) beschlossen, daraufhin vom Deutschen Reichstag angenommen und vom damaligen Reichstagspräsidenten Hermann Göring feierlich verkündet wurden.“ – „Wesentlich bedeutsamer als das Reichsbürgergesetz selbst waren die auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen zum Reichsbürgergesetz, deren erste eine nationalsozialistische Definition des Begriffs „Jude“ beinhaltet sowie die Entlassung der letzten jüdischen Beamten verfügt, die nach den Bestimmungen des „Frontkämpferprivilegs“ noch im Amt verblieben waren.“ – Jeweils zitiert aus https://de.wikipedia.org/wiki/Reichsb%C3%BCrgergesetz

[17] GWF, Jahrgang 1938, Ausgabe 11, Seite 192

[18] Ebda.

[19] Zitiert aus https://www.deutschlandfunk.de/wirtschaft-im-dritten-reich.730.de.html?dram:article_id=102869 (Besprechung von Tooze, Adam: Ökonomie der Zerstörung, München 2007)

[20] Zitiert aus https://www.dhm.de/lemo/kapitel/ns-regime/industrie-und-wirtschaft.html; dort heißt es weiter:

[21] Kopiert aus https://bmildebrath.wordpress.com/2016/06/12/der-erste-weltkrieg-in-veroeffentlichungen-der-deutschen-gas-und-wasserwirtschaft-teil-3/

[22] Heute Gdyna, Polen; damals Gdingen

[23] Assistent der Lehr- und Versuchsgasanstalt des Deutschen Vereins von Gas- und Wasserfachmännern an der technischen Hochschule in Karlsruhe

[24] Betriebsinspektor aus Mannheim

[25] Wasserbauinspektor in Hamburg

[26] Seit Ende des 19. Jahrhunderts ist der Begriff „Einrichter“ im Zusammenhang mit Gas- und Wasseranlagen als Berufsbezeichnung gebräuchlich. Gleichbedeutend verwendet wird der Begriff (Sanitär-) Installateur. Siehe dazu: Brüdermann, Stefan, Geschichte Niedersachsens: Band 4: Vom Beginn des 19. Jahrhunderts bis zum Ende des Ersten Weltkriegs, Göttingen 2016

[27] GWF, Jahrgang 1939, Ausgabe 50, Seite 816

[28] Zitiert und kopiert aus https://bmildebrath.wordpress.com/2016/06/12/der-erste-weltkrieg-in-veroeffentlichungen-der-deutschen-gas-und-wasserwirtschaft-teil-3/